Nachtarbeit und Zeitzuschlag
letzte Mutation 07.07.2023
Einleitung
Folgendes Kapitel enthält die wesentlichen Punkte zur Nachtarbeit und den Zeitzuschlägen.
Wenn der Einsatzbetrieb einem ave GAV unterstellt ist, gelten die Regelungen für Nachtarbeit und Zeitzuschlag des entsprechenden ave GAV mit Priorität.
In den Unterkapitel finden Sie detaillierte Infos zur Nachtarbeit und den Zeitzuschlägen der ave GAV, unter welchen Personaldienstleiter Personal ausleihen.
Wenn der Einsatzbetrieb keinem ave GAV unterstellt ist, bzw. der Einsatz unter den 'GAV Personalverleih' fällt, gelten die folgende Beschreibungen gemäss SECO 'Merkblatt Zeitzuschlag von 10% für regelmässige Nachtarbeit'.
Generelles
Nachtarbeit von längerer Dauer kann für den ArbN gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Schäden mit sich bringen. Der Erholungswert des Schlafes ist am Tag nicht derselbe wie in der Nacht. Es ist deshalb wichtig, den ArbN, die regelmässig nachts arbeiten, zusätzliche Ruhezeiten zu gewähren, damit sie sich von den mit der Nachtarbeit verbundenen Anstrengungen erholen können. Das ArG sieht deshalb einen als zusätzliche Freizeit zu gewährenden Zeitzuschlag von 10% vor.
Seit 1. August 2003 ist dieser Zeitzuschlag von 10% für alle ArbN obligatorisch.
Der Zeitzuschlag von 10% kann nur in Ausnahmefällen, auf die nachfolgend eingegangen wird, und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Geldleistungen abgegolten werden (Art. 22 ArbG und 17 ArGV1). Hingegen muss die für den Zeitzuschlag gewährte Ausgleichsruhezeit bezahlt werden.
Der Zeitzuschlag ist real zu gewähren. Insbesondere wäre es rechtlich nicht zulässig, durch Änderung des Arbeitsvertrages die wöchentliche Arbeitszeit im Umfang des Zeitzuschlags herauf zu setzen, um so dessen effektive Gewährung zu umgehen. Nach Art. 342 des Obligationenrechts hat der ArbN einen zivilrechtlichen Anspruch auf den Zeitzuschlag, auf den er rechtsgültig nicht verzichten kann (Art. 341 Abs. 1 OR). Auch eine mit der Heraufsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit verbundene Änderungskündigung kommt nicht in Frage. Gemäss Art. 336 OR wäre eine solche Kündigung missbräuchlich, da sie gegeben wird, um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu vermeiden.
Wann ist der Zeitzuschlag für Nachtarbeit geschuldet?
Aufgrund von Art. 17b Abs. 2 ArbG haben ArbN, die dauernd oder regelmässig Nachtarbeit leisten, Anspruch auf einen Zeitzuschlag von 10% für die in der Nacht geleistete Arbeitszeit.
Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit leisten ArbN, die in 25 und mehr Nächten pro Kalenderjahr zum Einsatz gelangen (Art. 31 Abs. 1 ArGV1).
Wird vorgesehen, dass die ArbN oder der ArbN während eines Jahres regelmässig nachts arbeiten wird und somit in mindestens 25 Nächte zum Einsatz gelangt, ist der Zeitzuschlag von 10% ab der ersten Nacht geschuldet. Als Beispiele können aufgeführt werden: Nachtwachen in Heimen, Bäcker oder Bäckerinnen, Arbeiterinnen und Arbeiter im ununterbrochenen Betrieb, Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten, die
regelmässig zu Nachtarbeit herangezogen werden. Arbeiten ArbN aus unvorhergesehenen Gründen im Laufe eines Jahres in weniger als 25 Nächten, so muss der Zeitzuschlag nicht zwingend in einen Lohnzuschlag von 25% umgewandelt werden.
Wenn die Nachtarbeit nicht üblich ist, und der ArbN in weniger als 25 Nächten arbeitet (vorübergehende Nachtarbeit) ist ihm oder ihr ein Lohnzuschlag von 25 % für die während der Nacht geleistete Arbeit zu bezahlen (Art. 17b Abs. 1 ArbG). Werden ArbN wieder Erwarten trotzdem in 25 oder mehr Nächten beschäftigt, muss der Lohnzuschlag für die 24 ersten Nächte nicht in einen Zeitzuschlag umgewandelt werden. Hingegen ist ab der 25. Nacht der Zeitzuschlag von 10% geschuldet (Art. 31 Abs. 3 ArGV1).
Wie und wann muss der Zeitzuschlag gewährt werden?
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Die Ausgleichsruhezeit ist innerhalb eines Jahres zu gewähren (Art. 17b Abs. 2 ArbG).
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Ausserdem muss die dem Zeitzuschlag entsprechende Ausgleichsruhezeit im Rahmen der Zeiterfassung separat ausgewiesen werden (Art. 73 Abs. 1 Bst. h ArGV1). Die Arbeitnehmenden, die nachts arbeiten, müssen durch den Zeitzuschlag in den Genuss von zusätzlicher Ruhezeit kommen.
Unter Berücksichtigung dieser beiden Bedingungen kann die Gewährung des Zeitzuschlages unterschiedlich gestaltet werden. Der Arbeitgeber kann nach Anhörung der Arbeitnehmenden (Art. 48 ArbG) die Stundenpläne gestalten. Der Zeitzuschlag kann beispielsweise wie folgt gewährt werden:
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als freie Tage oder Halbtage;
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unmittelbar zu Beginn oder am Ende der Nachtschicht. Konkret bedeutet dies, dass bei einer Nachtarbeitszeit von 6 ½ Stunden (nach Abzug der Pause gemäss Art. 15 ArbG) die 39 Minuten Ausgleichsruhezeit, auf welche der Arbeitnehmende Anspruch hat, unmittelbar zu Beginn oder am Ende der Nachtschicht bezogen werden können. Diese 39 Minuten müssen als Ausgleichsruhezeit bei der Zeiterfassung erwiesen werden.
Diese Bezugsmöglichkeit ist nur bei regelmässigen Stundenplänen durchführbar.
In Bezug auf die Erfassung der gewährten Ausgleichsruhezeit muss daran erinnert werden, dass der Arbeitgeber ein Verzeichnis führen muss, worin die täglichen und die wöchentlichen Arbeitszeiten, die gewährten Ruhetage, die nicht auf einen Sonntag fallen, die Regelung des Zeitzuschlages von 10% für regelmässige Nachtarbeit und die dafür gewährten Ruhezeiten (Art. 73 Abs. 1 ArGV1) aufgeführt sind. Aus dem Verzeichnis muss sowohl der Zeitzuschlag
als auch der Zeitpunkt dessen Bezuges ersichtlich sein. Die Form dieses Verzeichnisses ist frei.
Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass die zwingende Bestimmung des Zeitzuschlages auf alle Betriebe anwendbar ist, die ihre Arbeitnehmenden regelmässig nachts beschäftigen. Dies gilt auch für die Betriebe, die in den Genuss der Sonderbestimmungen der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz kommen und die ohne öffentliche Bewilligung Arbeitnehmende in der Nacht beschäftigen dürfen.
Ausnahmen vom Zeitzuschlagsobligatorium
Das Arbeitsgesetz ist öffentliches Recht und somit zwingendes Recht. Selbst, wenn die ArbN ihre Zustimmung dazu geben, ist es nicht gestattet, von der Pflicht, den Zeitzuschlag zu gewähren, abzuweichen. Ausnahmen bilden folgende Fälle:
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Wenn die Nachtarbeit nicht länger als eine Stunde dauert und zu Beginn oder am Ende der Nacht, d.h. während der ersten oder der letzten Stunde des Nachtzeitraumes (23 bis 6 Uhr nach Gesetz oder vom Betrieb um höchstens eine Stunde verschoben nach Art. 10 Abs. 2 ArbG) geleistet wird, kann anstelle des Zeitzuschlages ein Lohnzuschlag von 10% ausbezahlt werden (Art. 17b Abs. 2 ArbG). Der Grund dafür liegt darin, dass für eine Randstunde, in der Nachtarbeit geleistet wird, kaum sinnvoll nutzbare Ausgleichsruhezeiten anfallen. Diese Möglichkeit kann nur genutzt werden, wenn der ArbN nachts ausschliesslich in Randstunden arbeitet (siehe unten stehende Tabelle).
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Wenn die durchschnittliche Schichtdauer einschliesslich der Pausen sieben Stunden nicht überschreitet (Art. 17b Abs. 3 Bst. a ArbG). Die durchschnittliche Schichtdauer muss aufgrund aller Schichten des Betriebes oder des Betriebsteils, in denen die betroffenen ArbN eingesetzt werden, berechnet werden. In diesem Fall darf die wöchentliche Höchstarbeitszeit bei einem Vollpensum 35 Stunden einschliesslich Pausen nicht übersteigen (Art. 32Abs. 1 Bst. a ArGV1).
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Wenn die ArbN, die Nachtarbeit leisten, an nicht mehr als vier Nächten pro Woche zum Einsatz gelangen (Art. 17b Abs. 3 Bst. b ArbG). In diesem Fall muss die Vier-Tage-Woche für den ganzen Betrieb oder Betriebsteil gelten und muss einem Vollpensum entsprechen. Zudem darf die wöchentliche Höchstarbeitszeit nicht mehr als 36 Stunden betragen (Art. 32 Abs. 1 Bst. b ArGV1).
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Wenn aufgrund eines Gesamtarbeitsvertrages oder die analoge Anwendung öffentlichrechtlicher Vorschriften andere gleichwertige Ausgleichsruhezeiten gewährt werden (Art. 17b Abs. 3 Bst. c ArbG). Solche Ausgleichsruhezeiten können vom SECO als gleichwertig anerkannt werden (Art. 17b Abs. 4 ArbG), wenn sie spezifisch für die regelmässig geleistete Nachtarbeit gewährt werden und ihre Gesamtdauer mindestens dem Zeitzuschlag von 10% entspricht (Art. 32 Abs. 3 ArGV1).
Zeitzuschlag von 10 % für regelmässige Nachtarbeit
Tages- und Abendarbeit →
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← 23 Uhr bis 06 Uhr →
Nachtarbeit
+/- 1 Std. +/- 1 Std.
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← Tages- und Abendarbeit
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Zeitzuschlag von 10 % bei Nachtarbeit von mehr als 1 Stunde
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Lohn- oder Zeitzuschlag von 10 % für Arbeit von höchstens 1 Stunde am Anfang oder am Ende der Nacht
Beispiele
Ein Arbeitnehmer, der in einem Hotel arbeitet, wechselt jede zweite Woche zwischen Nachtarbeit (zwischen 22.00 und 7.00 Uhr, von Montag Abend bis zum Samstag Vormittag) und Tagesarbeit (zwischen 7.00 und 16.00 Uhr von Montag bis Freitag). Wenn er nachts arbeitet, dauert seine Schicht 9 Stunden oder 8 ½ Stunden nach Abzug der Pause, wovon 6 ½ Stunden (zwischen 23.00 und 6.00 Uhr) Nachtarbeit sind. Pro Woche leistet er in diesem Fall 32 ½ Stunden Nachtarbeit, weshalb er Anrecht auf 3 ¼ Stunden Zeitausgleich hat. Da er in einem Monat zwei Wochen Nachtarbeit leistet, hat er Anrecht auf 6 ½ Stunden Ausgleichruhezeit oder 71 ½ Stunden (auf elf Monate), die er als zusätzliche freie Tage bezieht.
Ein Arbeitnehmer arbeitet in einem Betrieb mit Dreischicht-System. Die Schichten wechseln wöchentlich von der Tages-, über die Abend- zur Nachtschicht. Die Nachtarbeit beginnt um 22.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr morgens am nächsten Tag, dies von Montag bis Freitag.
In der Woche, in der er Nachtarbeit leistet, arbeitet er 37 ½ Stunden (40 Stunden, abzüglich 2 ½ Stunden Pause) wovon 32.5 Stunden Nachtarbeit sind (zwischen 23.00 – 6.00 Uhr). Er hat somit Anrecht auf 10% Zeitzuschlag von den 32 ½ Stunden, also 3 ¼ Stunden pro Woche in der er Nachtarbeit leistet. Diese Stunden verwendet er für „Brückentage“ zwischen Feiertagen, damit er Ferientage sparen kann.
Ein Bäcker arbeitet an fünf Tagen pro Woche. An drei Tagen beginnt er um 3 Uhr und beendet seine Arbeit um 12 Uhr. An den zwei übrigen Tagen nimmt er die Arbeit bereits um 2 Uhr auf, um sie um 12 Uhr zu beenden. Somit arbeitet er während einer Woche 17 Stunden in der Nacht (drei Mal zwischen 3.00 und 6.00 Uhr und zwei Mal zwischen 2.00 und 6.00 Uhr). Somit hat er Anrecht auf 1,7 Stunden Ausgleichsruhezeit pro Woche, d.h. ca. 6,8 Stunden in vier Wochen.
Sonderfall: Stundenlohn
Den Zeitzuschlag von 10% muss der Arbeitgeber nicht nur den Mitarbeitenden gewähren, die im Monatslohn angestellt sind, sondern auch denjenigen, die im Stundenlohn arbeiten. Letztere erhalten den Zeitzuschlag von 10% für regelmässige Nachtarbeit als bezahlte arbeitsfreie Zeit. Art. 22 ArG verbietet die Abgeltung der
Ausgleichsruhezeit durch Geldleistungen. Der Zeitzuschlag von 10 % kann für ArbN, die im Stundenlohn angestellt sind, nicht durch einen Lohnzuschlag von 10% ersetzt werden, sondern muss in Form bezahlter Ausgleichsruhezeit gewährt werden.
Arbeitnehmende, deren Dienste vermittelt werden, haben grundsätzlich keinen Arbeitsvertrag mit dem Betrieb, in dem sie arbeiten, sondern mit dem Arbeitsvermittlungsbüro. Letzteres hat dementsprechend sicher zu stellen, dass das Arbeitsgesetz eingehalten wird und der Zeitzuschlag von 10% für regelmässige Nachtarbeit gewährt wird.
Zusammenhang mit anderen Kompensationen
Manche Arbeitsverträge oder Gesamtarbeitsverträge sehen Kompensationen für Nachtarbeit vor. Falls es sich dabei um einen Zeitzuschlag handelt, kann dieser dem vom ArbG vorgesehenen 10 % - Zeitzuschlag angerechnet werden. Ist dies nicht der Fall, so muss der Zeitzuschlag von 10% nach ArbG für regelmässige Nachtarbeit zusätzlich zu den vertraglichen Kompensationen gewährt werden.
Beispiel
Ein Gesamtarbeitsvertrag sieht für Nachtarbeit einen Lohnzuschlag von 15 % vor. Wird ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin regelmässig während der Nacht eingesetzt, so entspricht der Lohnzuschlag von 15% nicht den
Anforderungen des ArbG, da der Zeitzuschlag von 10% nicht durch Geldleistungen ersetzt werden kann (Art. 22 ArbG). In diesem Fall muss der vom Gesetz vorgesehene Zeitzuschlag zusätzlich zu dem vom Gesamtarbeitsvertrag
vorgesehenen Lohnzuschlag gewährt werden. Die Sozialpartner sind frei, ihre Gesamtarbeitsverträge zu ändern, zu diesem Zweck wurde die dreijährige Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten des Zeitzuschlages für regelmässige
Nachtarbeit vorgesehen.